Sprachpat*innen für Kita-Kinder (in German)

HINTERGRUND

In den allermeisten Potsdamer Schulen ist die deutsche Sprache weiterhin die einzige Unterrichtssprache. Daher gilt ihre Beherrschung als Voraussetzung für eine aktive Unterrichtsteilnahme und letztendlich für eine erfolgreiche Bildungskarriere. Allerdings weist eine beträchtliche (und potenziell wachsende) Zahl von Kindern unzureichende Deutschkenntnisse auf. Bereits im Jahr 2000 alarmierte der PISA-Schock, der unterdurchschnittliche Lese- und Mathematikkenntnisse deutscher Schüler offenlegte, Verantwortliche in Bildung und Politik. Als eine der Reaktionen auf die PISA-Ergebnisse wurden in allen deutschen Bundesländern Programme zur Überprüfung und Förderung der Sprachkenntnisse bereits vor Schuleintritt etabliert. Dies führte zum Beispiel zur Einführung umfassender Einschätzungen und regelmäßiger Dokumentation von Sprachkenntnissen in Kindertageseinrichtungen, zur Ausbildung von Fachkräften für Sprachförderung und deren Einsatz in Kindertagesstätten, zur Diskussion über eine verpflichtende Kindergartenzeit und zum Einsatz von Laien als Sprachförderern. Diese gegensteuernden Maßnahmen erzielten jedoch bisher nicht die erhoffte Wirkung: Unzureichende Sprachkenntnisse werden bei den Schuleingangsuntersuchungen zunehmend als großes Problem genannt. So wiesen bei den Berliner Schuleingangsuntersuchungen im Jahr 2013 beispielsweise 25% der Kinder ein Sprachdefizit auf, im Jahr 2016 waren es 28%, im Jahr 2019 30% und zum Ende des Berichtszeitraums im Jahr 2022 sogar 33% (Gesundheits- und Sozialberichterstattung Berlin). Besonders ausgeprägt waren die Defizite bei Kindern aus Familien mit niedrigem Bildungsniveau und bei Kindern, die den Kindergarten weniger als 2 Jahre lang besucht hatten. Ein Bericht zu den Potsdamer Schuleingangsuntersuchungen zeigt außerdem auf, dass Sprachdefizite überproportional häufig bei Kindern mit Migrationshintergrund auftreten (Immigrationsmonitoring Potsdam). Auch in Potsdam sehen wir eine Zunahme an Kindern mit Förderbedarf: In der Sprachstandserhebung im letzten Kindergartenjahr wurden im Schuljahr 2019/20 11% der Potsdamer Kinder als förderbedürftig eingestuft, zwei Jahre später waren es 12% und wiederum 2 Jahre später im Schuljahr 2023/24 16% (Parlamentsdokumentation Brandenburg). Aus der Spracherwerbsforschung wissen wir, dass vor allem drei verschiedene (aber möglicherweise überlappende) Faktoren zu unzureichenden Deutschkenntnissen führen können: 1) Der Erwerb der deutschen Sprache als Zweitsprache aufgrund einer anderen Familiensprache 2) Ein zu wenig anregendes sprachliches Umfeld 3) Das Vorliegen einer pathologischen Sprachentwicklungsstörung Während die ersten beiden Faktoren mit einem Mangel an Input in deutscher Sprache zusammenhängen, möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass Kinder der erstgenannten und vermutlich größten Gruppe in den meisten Fällen über gute Kenntnisse in ihrer ersten Sprache verfügen. Dies bildet eine gute Voraussetzung für den Erwerb einer zweiten Sprache. Weiterhin ist die dritte Gruppe klar von den ersten beiden abzugrenzen, da es sich bei einer Sprachentwicklungsstörung um eine therapiebedürftige Kondition handelt, die nicht durch reine Sprachförderung kompensiert werden kann. Die Abgrenzung der Gruppen kann jedoch oftmals nur von professionellen Sprachtherapeut*innen vorgenommen werden, da die Auffälligkeiten der Sprache sich sehr ähneln.

ZIEL DES PROJEKTS

Mit dem Potsdamer Sprachpat*innen-Projekt möchten wir einen Beitrag zur Unterstützung von sprach-schwachen Kindern leisten. Ein reiches sprachliches Angebot (sowohl quantitativ als auch qualitativ) ist die Grundvoraussetzung zum Erwerb einer Sprache. Wenn dies aus unterschiedlichen Gründen im häuslichen Umfeld nicht gegeben werden kann, ist es wichtig, dass die Kinder in ihrem Kindergarten-Alltag umso mehr sprachlichen Input und Kommunikationsgelegenheiten erfahren. Da die aktuelle Betreuungssituation in Potsdamer Kindertagesstätten den pädagogischen Fachkräften zu wenig Raum für die individuelle Förderung bietet, unterstützen wir das Kita-Team mit ehrenamtlichen Sprachpat*innen, die ihre Zeit vor Ort voll und ganz für die Kinder nutzen können, ohne sich gleichzeitig um Organisatorisches und Dokumentationen kümmern zu müssen. Wichtig ist, dass die Unterstützung durch die Sprachpat*innen keine Sprachtherapie ersetzt. Kinder mit Sprachentwicklungsstörung benötigen unbedingt sprachtherapeutische Begleitung. Unser Ziel ist, dass die geförderten Kinder mehr sprachlichen Input, mehr Sprechgelegenheiten und mehr reiche kommunikative Situationen erleben und sich ihre Sprachleistungen im Deutschen dadurch noch vor Schuleintritt verbessern. Wir sind uns darüber bewusst, dass wir lediglich einzelne Kinder fördern können und das systemische Problem mit unserem Projekt nicht lösen werden können. Durch die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation erhoffen wir uns aber, Erfolge bei einzelnen Kindern aufzeigen zu können und so den Appell an Verantwortliche in Bildung und Politik für mehr individuelle Sprachförderung zu untermauern.

BEITRAG DES PROJEKTS

Wir als Team des Potsdamer Sprachpat*innen-Projekts rekrutieren und begleiten ehrenamtliche Sprach-pat*innen in Kooperation mit dem Berliner Verein Sprachpat*innen für KiTa-Kinder e.V.. Die Sprach-pat*innen werden bei der Ehrenamtsagentur der AWO Potsdam registriert und erhalten darüber eine kostenfreie Unfall- und Haftpflichtversicherung. Weiterhin unterstützen wir bei der Beantragung des erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses. Auch mit den Trägern der Kindertagesstätten (derzeit AWO und Fröbel) sowie den jeweiligen Leitungen treten wir in Kontakt, um Bedarfe abzufragen und Sprachpat*innen an Einrichtungen zu vermitteln. Es obliegt aber vollständig dem pädagogischen Team bzw. der Kita-Leitung, die Kinder mit Unterstützungsbedarf zu benennen. Uns ist es wichtig, den Sprachpat*innen Hintergrundwissen für ihre Tätigkeit zu vermitteln, weshalb wir regelmäßige Fortbildungen zu Themen wie Mehrsprachigkeit, sprachförderliches Verhalten und Sprachstörungen anbieten. Während wir davon überzeugt sind, dass grundsätzlich jede zugewandte Kommunikation förderlich ist, möchten wir den Sprachpat*innen Ideen an die Hand geben und sie durch die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse sicherer machen. Ein weiterer Teil der wissenschaftlichen Projektbegleitung liegt in der Evaluation. Wir arbeiten aktuell daran, Evaluationsinstrumente zu entwickeln, um Erfolge der individuellen sprachlichen Förderung messbar zu machen und somit deren Relevanz und Dringlichkeit hervorheben zu können. Des Weiteren sollen regelmäßige informellere Treffen Möglichkeit zum Austausch untereinander geben. Die Sprachpat*innen können voneinander lernen, Herausforderungen und Chancen teilen, sowie uns Rückmeldung zur tatsächlichen Arbeit in der Kita und dazu, wie wir diese weiter unterstützen können, geben.

WIE SIEHT EINE SPRACHPATENSCHAFT AUS?

Für den Rahmen der Sprachpatenschaften orientieren wir uns am Konzept des Berliner Vereins Sprachpat*innen für KiTa-Kinder e.V., das sich dort seit einigen Jahren bewährt hat: Im Idealfall unterstützen 2 Sprachpat*innen dieselben 2-3 Kinder innerhalb einer Einrichtung. Hierzu besuchen sie die Kinder jeweils einmal pro Woche für ca. 3 Stunden. So bekommen Tom, Bilal und Katja beispielsweise Dienstagvormittags Besuch von Sprachpatin Liese und Donnerstagvormittags von Sprachpate Hans. Für die Sprachpat*innen beschränkt sich der zeitliche Aufwand demnach auf einen halben Wochentag. Der Einsatz in diesen Tandems ermöglicht den Sprachpat*innen, sich miteinander auszutauschen, und verdoppelt die Besuchszeit der 3 Zielkinder. Während der Besuche verfolgen die Sprachpat*innen das Konzept der alltagsintegrierten Sprachförderung – sie lassen die Kinder ihren Interessen nachgehen und begleiten sie dabei. Das heißt: Malen, Lesen, Kneten, Bewegen, Alltagstätigkeiten, Musik, … Dabei bauen sie so viel sprachliche Interaktion und Kommunikation wie möglich auf, sodass die Kinder sowohl Input als auch eigene Sprechgelegenheiten bekommen. Die Sprachpatenschaften sind langfristig angelegt, sodass sich eine persönliche Beziehung entwickeln kann und die Kinder idealerweise bis zum Schulstart begleitet werden. Natürlich ist dieses „Ideal“ im trubeligen Kita-Alltag nicht immer umzusetzen – jede Kita ist anders, jedes Kind ist anders und jeder Tag ist anders. Daher müssen sowohl die Sprachpat*innen als auch unser Projekt anpassungsfähig sein. Wir setzen auf eine sehr gute und enge Zusammenarbeit mit den pädagogischen Fachkräften und der Kitaleitung, um die einzelnen Sprachpatenschaften auszugestalten. Hierbei geht es um die Bestimmung der Zielkinder, die genauen Besuchszeiten, die räumlichen Bedingungen und die Integration der Sprachpat*innen in den Kita-Alltag. Während der Besuche agieren die Sprachpat*innen geduldig und zugewandt und reagieren flexibel und souverän, wenn zum Beispiel weitere Kinder dazukommen, oder das eigentliche Zielkind aktuell keine Lust hat. Die Sprachpat*innen bieten sich an und machen Vorschläge, drängen sich aber nicht auf. Eine gute Zusammenarbeit und eine offene Kommunikation mit den pädagogischen Fachkräften helfen in diesen Situationen ungemein. Für alle Beteiligten sind wir als Projekt-Team gerne ansprechbar. Die Sprachpat*innen dürfen nicht zur Mehrbelastung für das pädagogische Personal in der Kita werden. Sie fokussieren sich auf die ausgewählten Kinder, aber sie berücksichtigen auch andere Kinder und helfen in der Kita aus. Die Sprachpat*innen sind Laien, während die Erzieher*innen Fachkräfte sind und oftmals viele Jahre Erfahrung haben. Daher begegnen die Sprachpat*innen dem Kita-Team mit Respekt für deren tägliche Arbeitsleistung und sind offen für Tipps und Anregungen im Umgang mit den Kindern.

ANFORDERUNGEN AN SPRACHPAT*INNEN

Am Anfang der Sprachpatentätigkeit steht ein ausführliches Gespräch mit erfahrenen Sprachpat*innen und dem Projekt-Team. Wir empfehlen den zukünftigen Sprachpat*innen, die Möglichkeit einer Hospitation zu nutzen, um einen Vormittag die Sprachpat*innen-Arbeit in der Kita hautnah mitzuerleben. Die letzte Entscheidung zur Aufnahme der Sprachpatentätigkeit liegt bei der Kitaleitung, die die/den Sprachpat*in in einem Treffen, das von einem Teammitglied unseres Projekts begleitet wird, ausführlich kennenlernt. Anhand eines Steckbriefs stellen sich die Sprachpat*innen dann auch der Elternschaft der Einrichtung vor. Darüber hinaus sind ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis sowie der Nachweis der Masernschutzimpfung oder einer früheren Masern-Erkrankung notwendig. Im Eigeninteresse sollte auch ein aktueller Covid-Impfschutz vorliegen. Im Falle einer erhöhten Anfälligkeit oder chronischer Krankheiten wie beispielsweise Asthma sollte das etwas erhöhte Infektionsrisiko in Kindertagesstätten bedacht und möglicherweise mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen werden.

KONTAKT

Wenn Sie Interesse an unserem Projekt haben oder mehr erfahren möchten, sind Prof. Dr. Barbara Höhle (Uni Potsdam), Dr. Elina Rubertus (Uni Potsdam / ZAS Berlin) und Dr. Wolfgang M. Roßberg Ihre Ansprechpartner. Wenden Sie sich gerne direkt per E-Mail an uns: sprachpaten@uni-potsdam.de